Rechtzeitiges Grenzen zu setzen ist ein Ausdruck von Selbstfürsorge und entscheidet über die Qualität und das Ausmaß von Wut dem „Entladungszwang“. 

Unser gesamtes Streben ist darauf ausgerichtet so viel wie möglich gute Gefühle zu erleben! Wenn dem etwas im Weg steht, wird es argwöhnisch beäugt, angezweifelt, als Bedrohung empfunden und wenn nötig bekämpft. 

Wenn du dich unwohl fühlst, schickt dein Nervensystem andere Signale und Neurotransmitter durch deinen Körper, als es das im Wohlfühlmodus tut. Du bereitest dich, ohne es bewusst zu bemerken, auf eine mögliche Gefahr vor. 

In diesem Zustand bist du weder mit offenem Herzen noch klarem Verstand bei der Sache, sondern schon in Vorbereitung auf eine Gefahr.

Das kann sich zB. durch eine kälter werdende Stimme, flachere Atmung, Muskelanspannung, beklemmende Gefühle oder ein übertriebenes Glätten wollen äußern. Egal was du tust, dein Unwohlsein wird sich vergrößern, wenn du deinen Fokus nicht auf dich lenkst, sondern im Außen auf dem Geschehen lässt.

Dieser Moment wäre der Beste, um Grenzen zu ziehen und dich deinem Unwohlsein zuzuwenden, damit du es be-ACHTEN, verstehen und verarbeiten kannst. 

Um einen geschützten Raum für unser Unwohlsein zu schaffen, braucht es Grenzen. Grenzen, die uns ermöglichen in die Selbstreflexion und das Hineinspüren gehen zu können, die Zeit und Raum geben um erforschen zu können, welches Bedürfnis gerade in Aufruhr ist, welcher Wert evtl. verletzt wurde, oder ob unser Nervensystem auf eine alte verdrängte Situation reagiert, die endlich Zuwendung möchte. Ein Unwohlsein kann so viele Ursachen haben und es lohnt sich, dem nachzugehen, wenn es erscheint.

Wenn du diesen Moment übergehst, in der Hoffnung, dass es schon gut gehen wird, oder weil du fürchtest, dass ansonsten ein Konflikt entstehen könnte, Harmonie verloren geht, übergehst du dein inneres Alarmsystem, das über dein Unwohlsein zu dir spricht.

Nun hat dein Nervensystem zwei Möglichkeiten, mit dem Unwohlsein umzugehen.

  1. Du verdrängst dein Unwohlsein.
  2. In dir steigt eine noch stärkere Energie auf, die dich zum Grenzen setzen förmlich „zwingt“, damit du aus dem Zustand des Unwohlseins wieder herauskommst.

Wenn du dein Unwohlsein so gut verdrängst, dass du es selber nicht mehr merkst, wiederholst du den, wahrscheinlichen in der Kindheit antrainierten Überlebensmechanismus, Gefühle zu verdrängen, weil das Fühlen und Zeigen der eigenen Gefühle nicht erwünscht war, zu Konflikten führte oder vielleicht so stark be- oder verurteilt wurde, dass du danach ein lähmendes Gefühl von Isolation und Einsamkeit verspürt hast. Um das nicht mehr erleben zu müssen, entwickeln Menschen Mechanismen, die sie davor schützen und bewahren. Das was damals etwas Gutes!

In einer Partnerschaft können diese Mechanismen allerdings zu großen Schwierigkeiten führen, da dieser Mensch nie wirklich „anwesend“ ist und sich in erster Linie an den Bedürfnissen des PartnersIn orientiert.

Menschen, die diesen (unbewussten) Mechanismus stark ausgeprägt haben empfinden ihr eigenes Erleben und Fühlen oft als weniger interessant, nicht sonderlich spannend/ausdrucksstark, selten gut genug und brauchen etwas, jemanden, an dem sie sich orientieren können. Das führt dazu, dass sie glauben, wenn sie einfach nur so sind wie sie sind, ist es nicht hat ausreichend. Sie stecken viel Kraft und Energie in das Vollbringen besonderer Taten, oder Selbstlosigkeit und  Aufopferung, um so ein bisschen Aufmerksamkeit, Anerkennung, Liebe und Zuwendung zu bekommen.

Dieser Handlungsdrang, weg von sich, hin zum anderen, entsteht immer dann, wenn wir unser eigenes Fühlen und Erleben zugunsten einer Harmonie und Verbindung aufgeben. 

Wenn der erlernte Mechanismus nicht Verdrängung des Unwohlseins ist, sondern ein darin Ausharren, entsteht Frustration und wenn diese zu unerträglich wird, steigt eine so sehr starke Energiewelle in uns auf, dass sie uns förmlich zur Handlung ZWINGT.

Diese aufsteigende Energie ist Wutenergie, die pure Antriebsenergie ist. Sie treibt uns an, ohne das wir noch eine selbstbestimmte Chance haben. Jetzt MUSS gehandelt werden, es MÜSSEN Grenzen gezogen werden.

Mit Wutenergie ist das Grenzen setzen radikal und zerstörerisch, da unsere gesamte Biologie auf Angriff gepolt ist und ein viel älterer Teil des Gehirns, der nicht auf Verständigungen und Schlichtung aus ist, die Führung übernimmt. 

So gesehen ist Wut eine Folgeerscheinung deiner nicht gesetzten Grenzen im Moment des Unwohlseins und eines nicht Beachten deines seelischen und nervlichen Gleichgewichts.

Vielen Menschen erscheint es dann so, als hätte der Andere die eigenen Grenzen überschritten. Doch das ist ein Irrtum. Nicht der Andere überschreitet Grenzen, er ist einfach nur weitergegangen, weil es möglich war.

Darum ist die beste Selbstvorsorge gegen überwältigende Wut, Frustration oder Erstarrung/Gefühllosigkeit (unterdrückte Wut) sein eigenes Unwohlsein ernst zunehmen, in dem Moment indem es entsteht und als Kompass zu begreifen.

Schau mal, wo du dich überall in deinem Leben unwohl fühlst. Für viele Menschen ist es sehr erhellend, wenn sie bemerken in wie vielen Situationen Unwohlsein entsteht und wie oft sie sich selber übergehen, sich nicht ernst nehmen und achten. Das sind alles Situationen, die dir Hinweise geben und dir zeigen, was wirklich in dir lebt und deine Aufmerksamkeit braucht.

Durch dich, nicht von deinem Partner.

Wenn du diesen Weg immer weiter gehst, wird dich dein Leben zu einer berührenden Begegnung mit dir selber führen und du wirst eine neue Form von Sicherheit und Autonomie erfahren, da deine Überlebensmechanismen einem bewussten achtsamen Umgang mit dir selber weichen können.

Und ganz nebenbei wird Streit, Gefühllosigkeit, Drama und toxisches immer mehr aus deinem Leben verschwinden und eure Partnerschaft kann sich in etwas verwandeln, was sich verbunden und gleichzeitig frei anfühlt.